Wir haben das Piemont schon oft auf unseren Fotoreisen
besucht, …
… doch noch nie im sommer. Leuchtende Farbtupfer in der grünen landschaft machen appetit auf mehr. Melone, Tomate, Aubergine. Und natürlich olive. alles was das foodies-herz begehrt. Der sommer bietet abwechslungsreiche hochgenüsse.
Unsere Reise beginnt in Acqui Terme. Die Bäderstadt am östlichen Rand des Piemont.
Acqui hat sicher schon bessere Zeiten gesehen. Viele Details sind verblasst. Reminiszenzen an den frühen Ruhm. Und doch lebt die Eleganz weiter. In den Arkadenbögen, dem weitläufigen Kaskadenbrunnen, den vielen wunderbaren kleinen Restaurants, Bars, den Feinkostläden und den offenen Menschen, die den Norden Italiens ausmachen.
So schön es in der noch menschenleeren Stadt ist – wir müssen los nach Roccaverano, um uns dort mit ein paar sehr haarigen Gesellen zu treffen…
100% Ziege mit Suchtfaktor.
„Steiler Eselspfad!“, das wäre wohl der richtige Ausdruck – die letzten Kilometer zum Bio-Ziegenhof Agri Langha sind echt abenteuerlich.
Aber jetzt hier in Vesime, Ortsteil der Käsekultgemeinde Roccaverano, auf 400 m Höhe, mit weitem Blick über das Tal und bei klarem Wetter bis zum Mittelmeer, tut sich ein Paradies nicht nur für Paarhufer auf. Knapp 400 Ziegen sorgen hier für den köstlichen Stoff, der internationale Käsekenner süchtig macht.
Die Robiola di Roccaverano ist ein frischer, weicher Ziegenkäse mit feiner Konsistenz. Seine Einzigartigkeit bezieht er aus der bedingungslosen Forderung, dass er aus 100% Ziegenmilch hergestellt werden muss und die Ziegen mind. 9 Monate ihr Futter auf den vom ständigen Seewind umspielten Kräuterweiden von Roccaverano finden müssen. Entsprechend dominieren im Frühjahr und Frühsommer eher die Noten von frischem Gras, Kirsche und Hasel, um im Herbst eher dem kräftigen Aroma reifer Kräuter zu weichen. Ein Teil der Ziegen ist dann meist schon tragend, so dass die Milch fetter und aromatischer wird und dem Käse einen betörenden Duft verleiht. Connaisseure schätzen sowohl den frischen wie den reifen „Roccaverano“. Ein trockener „Weißer“ der Region, z.B. ein Roero Arneis, ist stets der rechte Begleiter.
Das Gold der Mulino Marino.
„Benvenuti nel Mulino Marino“ – begrüßt uns Fulvio mit einem sympathischen Grinsen. Gemeinsam mit Bruder, Vater und Gründer „Nonno“ Felice leitet er die Geschicke der von slowfood prämierten Getreide-Mühle in Cossano Belbo.
Hier wird, wie schon seit hunderten von Jahren, in traditioneller Weise „steingemahlenes Mehl“ hergestellt. Hochwertiges Mehl aus teils nahezu vergessenen Cerealien, um das sich die gehobene Gastronomie und der Feinkosthandel reißt.
Müller Marinos Mühlen mahlen langsam.
Wie schon im Mittelalter mahlen bei MARINO große Mühlsteine aus Pyrenäen-Granit bei geringer
Geschwindigkeit die Körner. So wird das Korn behutsam aufgebrochen, das Keimöl nicht verschleudert und kann sich im Mehl vollständig verteilen. Geschmack und Duft bleiben somit komplett erhalten. Dass man aus diesen hochwertigen Zwischenerzeugnissen köstliche Gerichte zubereiten kann, demonstriert uns Fulvios „mamma“ Maria Teresa eindrucksvoll. Ihr Lieblingsgetreide – wie soll es anders sein – *ENKIR. Tajarin con burro e salvia, frisches Enkir-Brot, einen leckeren Cerealien-Salat, süßes Gebäck und Kuchen. „Tutti fatto al mano“, wie sie uns versichert. Lediglich die für Norditalien so typische Polenta bleibt uns heute Mittag bei ca. 32 °C im Schatten „erspart“. Der Rest hat es auch so in sich und der schwarze starke Mocca zum Schluss ist dringend nötig, um uns wieder einigermaßen geradeaus sehen zu lassen. Als wir gehen drückt uns Fulvio noch etliche Beutel unterschiedlicher Mehle in die Arme und toppt das Ganze noch mit einer „Champagnerflasche“ ENKIR-Bier. Dann endloses Händeschütteln, Schulterklopfen, Winken, „ciao, ciao, arrividerci – zurück bleibt eine starke, gut gelaunte Großfamilie, an die wir uns noch lange erinnern werden.
bella italia.
Chiara „die Klare“ strahlt mit der Sonne um die Wette. Als eine der vielen sympathischen Gästebetreuer vom Weingut Fontanafredda in Serralunga d‘Alba hat sie es den ganzen Tag nur mit den schönen Dingen des Lebens zu tun. Hier im chrom- und glasblitzenden MIRAFIORE, der Gastronomia im weitläufigen Landgut der ehemaligen Gräfin Rosa di Mirafiori, herrschen König Barolo und Königin Arneis. Und eine Küche, die noch ihresgleichen sucht.
„È difficile essere semplici.“
Es ist schwierig, einfach zu sein.
Chef UGO scheint diesen Sinnspruch verinnerlicht zu haben – er empfängt uns mit einer geradezu meditativen Gelassenheit. Er ist selbst Gast im MIRAFIORE, in dem er sich für ein Gastronomieprojekt verpflichtet hat. UGO gehört zu einer neuen Gilde piemontesischer Küchenchefs, welche die regionale ländliche Küche mit modernen kreativen Ansprüchen auflädt. Obwohl unter Zeitdruck, präsentiert er vollkommen integer seine heutige Kreation auf einem ausladenden, quadratischen GRANDE Teller. Gefüllte Paprika mit karamelisiertem, transparentem Saisongemüse. Ein “Bild“ von einem Teller. Ein Sinnbild moderner Piemonteser Küche.
GRANDE Genuss.
Schnippeln, rühren, würzen, wieder rühren, anrichten, mit dem Service flirten, nachwürzen, gestikulieren – der Jungkoch Marco scheint tausend Hände und damit ständig voll zu tun zu haben. Entsprechend kann sich das Ergebnis schon nach kurzer Zeit sehen lassen. Agnolotti in brodo, sanft gegarte Rinderhüfte auf Rote Beete Gelee, Spaghetti alla chitarra, Melonensuppe mit Vanilleeis und groben Meersalz, zum Schluss ein herrlicher affogarto al caffé. Kaum zu glauben, dass er das (fast) alleine geschafft hat. Dazu immer freundlich, gelassen, nett.
Emilios Erbe.
Kultur, Sorgfalt, Qualitäts-philosophie, das Wissen mehrer Generationen, die Liebe zum Produkt und eine Region, die sich durch landwirtschaftliche und kulinarische Spitzenprodukte auszeichnet – Emilio und seine Gattin Marina Durando haben gerne das Erbe des Großvaters angenommen und ihr mit der kleinen, feinen Marke OLIVERI beachtliches neues Leben eingehaucht.
Qualität, Qualität, Qualität! Gesundes Gemüse seit Generationen.
Enkel Emilio Oliveri, der das Familienunternehmen jetzt in der dritten Generation führt, ist stolz, das Credo seines gleichnamigen Großvaters fort zu führen. Aus dem „Ein-Mann-Betrieb“ der zwanziger Jahre hat sich eine gesunde kleine Firma entwickelt, die sich ganz und gar dem guten Gemüse verschrieben hat. Vorzugsweise mit heimischen Kräutern in feinste Öle eingelegt. Im Piemont, Region Acqui Terme, befindet sich ein Großteil der Anbaufläche direkt neben dem kleinen Produktionsbetrieb.
Hier werden Pilze und Gemüse noch heute von Hand gesäubert und eingelegt.Die Qualitätskontrollen
sind übrigens noch genauso streng
wie zu Opa EmiliosZeiten.
„Ein Tropfen Olivenöl –
drei Tropfen Schweiß.“
Die Früchte der Olivenbäume prägen auch heute noch das Leben in den typischen Anbaugebieten Italiens. In ihm liegt die köstliche Basis jeder guten mediterranen Küche. „Echtes“ Olivenöl aus dem „Olivenöl-Schmuckkästchen“ Ligurien – das heißt Arbeit vom Morgen bis zum Abend, 365 Tage im Jahr. Olivenanbau ist hier kein Steckenpferd für Auswanderer wie in der Toscana, Umbrien, Sizilien, Spanien… wo die öligen Früchte mittels Maschinen geerntet werden können. In Liguriens steilen Schluchten will jede noch so kleine Olive erarbeitet werden. Dafür entschädigt sie uns dank teils rauem Klima und permanenter Seeluft mit einem unvergleichlich feinem Öl und aromatischem Geschmack.
GOCCE D‘OLIO – das Öltröpfchen.
In den Hügeln über Imperia, an der sonnenverwöhnten Küste Liguriens, gedeihen die kostbaren Winzling-Oliven der Sorte TAGGIASCA. Hier in Riva Faraldi im Cervo-Tal, auf 350 m Höhe bewirtschaftet die Familie Gaglione ihre Olivenhaine schon in vierter Generation auf weniger als 100 ha Fläche. Entsprechend ist der Ausstoß an Olivenöl gering aber von höchster Qualität, was zahlreiche Auszeichnungen, auch im SLOWFOOD-Führer eindrucksvoll belegen. Wir haben Roberto Gaglione, dem Sohn des Hauses auf dem Wochenmarkt von Alba kennen gelernt und sind von der Qualität seiner Produkte absolut überzeugt. Sein Vater Franco hat sich Zeit genommen und uns auf einen Exkurs in seine Olivenberge eingeladen.
Grazie, Nonna Alma!
Während wir uns noch mit Franco durch die steilen Olivenhaine quälen, hat in der Via Lepanto 2, Nonna Alma ein, na sagen wir einen ligurischen Brunch (welch ein Wort in Italien!!!) vorbereitet. Frische Marmelade, knuspriges Brot, Prosciutto und Melone, ein noch warmer Zitronenmarmeladen-Kuchen – alles selbstgemacht! Ihre Pesto und Olivenspezialitäten auf knusprigen Piadina Fladen dürfen genauso wenig fehlen wie das typische ligurische „Arme Leute – Essen“ TROFIE CON FAGIOLE, PATATE, PESTO & PARMIGIANO. Ja, echt arm, wer diese Pasta noch nicht probiert hat. Mit Gemüse aus dem eigenen Garten und frisch zubereitetem Pesto Genovese „famigliare“ ein Genuss, der leider früher sättigt als einem lieb ist. Nonna Alma hat uns zum Abschied noch das Rezept für ihren Kuchen und das unvergleichliche Pesto mit gegeben. Grazie mille, signora.
Von Hand gepflegt, geerntet und veredelt. Der großen Leidenschaft der „nonna“ ist es zu verdanken, dass es neben den durch SLOWFOOD ausgezeichneten Ölen, ebenfalls einige, nach überlieferten Rezepturen und von Hand hergestellte Antipasti, Pesto und Pates gibt. Handverlesene, von Sonne und Meer und nonna Alma Die Torta di marmellata di limoni sieht nicht nur gut
veredelte Olivenspezialitäten. aus, sie schmeckt auch so, auch das Rezept ist kinder- leicht – wenn man die Marmelade von Nonna Alma zur Hand hat…
Und übrigens: Wer bei der Olivenernte helfen
will – Gagliones haben auch einige schlichte
Ferienwohnungen…
Piemont – wir sehen uns sicher bald wieder…